Was heißt hier Freiwilligenleistung?
Kommentar zur Haushaltssperre
Die Bedeutung von Kultur und Sozialem für die Gesellschaft der Stadt
Die Haushaltssperre, die der Gemeinderat der Stadt Ellwangen am 28.5. 2020 mit 25 zu 6 Stimmen beschlossen hat, sendet ein fatales Signal.
Die Schuldenbremse ist eins der prominentesten Opfer des Coronavirus. Auf Bundesebene konnte sie nicht aufrecht erhalten werden. Zum Glück für viele, die in Zeiten der Krise Unterstützung aus Steuermitteln erfahren.
Fatal ist das Signal aus Ellwangen deshalb, weil die ordoliberale Maxime der Austeritätspolitik in Zeiten finanzieller Enge, spätestens seit der Finanzkrise und der Drangsalierung südeuropäischer Staaten durch EWZ, EU und IWF, als unwirksam belegt ist. Außer dem Sturz vieler Menschen aus den sozialen Sicherungssystemen und dem erzwungenen Verkauf staatlicher Infrastruktur an ausländische Investoren (Stichwort der Hafen von Piräus, Stichwort neue Seidenstraße) hat sie kaum dazu beigetragen, neues Wachstum zu generieren und es den betroffenen Ländern verunmöglicht eine neue Rolle in der EU zu finden. Schon seit über hundert Jahren gibt es den gegenteiligen Ansatz des britischen Wirtschaftswissenschaftlers John Maynard Keynes, der in Zeiten finanzieller Enge verstärkte Investitionen auch um den Preis einer höheren Schuldenlast und entsprechend längerer Tilgungszeiten fordert. Durch Investitionen die Zukunft sichern, ist die Grundüberlegung.
Fakt ist. Wir haben seit Jahren eine Nullzinspolitik, die es der öffentlichen Hand ermöglicht, sich günstig zu finanzieren. Fakt ist auch. Corona wird finanzielle Engpässe auf bundes-, landes- und kommunalpolitischer Ebene verursachen. Konjunkturkrise, Haushaltseinbrüche, Zukunftsangst — was tun?
Die Stadt Ellwangen hat für sich die Lösung in einer Haushaltssperre gefunden und sie im vorauseilenden Gehorsam beschlossen, noch bevor die coronabedingten finanziellen Verluste absehbar sind, und bevor die coronabedingte Unterstützung der kommunalen Finanzen von Seiten des Bundes oder des Landes entschieden war. Sparen liegt uns, sagt ein gängiges Vorurteil über die Schwaben. Haushalten und sparen sind aber zwei Paar Schuhe.
Klug haushalten bedeutet in Zeiten der Krise eben nicht, Investitionen zurückzstellen, sondern im Gegenteil – auch wenn es privat- und betriebswirtschaftlichen Impulsen zuwiderläuft – für die Zukunft zu investieren. Eine Stadt, und mag sie noch so klein und scheinbar bedeutungslos im strukturschwachen Gebiet gelegen sein, kann gerade jetzt in die Zukunft investieren: im Hinblick auf die Landesgartenschau 2026, auf eine Pflegeakademie, auf den Zuzug von Familien und Arbeitnehmer*innen jeden Alters, die in den leistungsstarken mittelständischen Betrieben, den Bildungs- und Pflegeeinrichtungen dringend gebraucht werden. Ellwangen glänzt durch seine Bestandsgüter, die so nur wenige Städte haben: die großartige, weitläufige Naturlandschaft, eine vielhundertjährige aufregende Geschichte, eine tolerante, weltoffene Einwohnerschaft, Kunst und Kultur, Museen, Bäder, neue Einwohner*innen aus aller Welt, nicht zuletzt ausgezeichnete Schulen und Bildungsstätten.
Die Haushaltssperre bezieht sich auf eine eindrucksvolle Liste so genannter „Freiwilligkeitsleistungen“, in meinen Augen absolut notwendige Einrichtungen.