OV-Zeitung
Herbert Hieber
Für SozialdemokratInnen ist der 1. Mai ein ganz wichtiger Tag:
Er symbolisiert den langen Kampf der Gewerkschaften und der SPD für eine gerechtere Arbeitswelt.
Demonstrationen und Streiks zum 1. Mai 1856 in Australien und 1886 in den USA für den Achtstundentag waren der Start zu seiner weltweiten Einführung. 1919 wurde in Deutschland der 1. Mai zum ersten Mal gefeiert, doch ab 1933 missbrauchten ihn die Nazis als „Feiertag der Nationalen Arbeit“ und zerschlugen im Anschluss die Gewerkschaften und demokratischen Parteien.
Einer der wichtigsten Lebensbereiche ist für uns SozialdemokratInnen auch heute die Arbeit:
Gute Bezahlung für gute Arbeit, zwölf Euro Mindestlohn, gleicher Lohn für alle Geschlechter, Demokratisierung der Arbeitswelt, starke Betriebsräte, eine gute Vorbereitung auf die Digitalisierung vieler Berufe.
Die 2. Ausgabe der Roten Lilie erscheint deshalb zum 1. Mai, dem Internationalen Tag der Arbeit.
Warum SPD?
Weil die SPD die wichtigsten menschlichen Werte ins Zentrum stellt: Solidarität, Respekt, Gleichberechtigung. Und das seit über hundertdreißig Jahren. Die SPD hat sich dem Hitlerregime verweigert. Dafür sind ihre Mitglieder ins KZ gegangen.
Beate Rothmaier, 59 Jahre, Schriftstellerin
Was ist dir besonders wichtig?
Ich finde es wichtig, sich politisch zu engagieren, um so die eigenen Vorstel- lungen bestmöglich umsetzen zu können. Auch weil ich jung und weiblich bin. Diese Gruppe ist immer noch viel zu wenig repräsentiert, auf kommunaler wie auf Bundes- und Landesebene. Dabei haben wir häufig einen frischen, an- deren Blick auf Probleme und tragen durch neue Sichtweisen zu Lösungen bei.
Lisa Steinau, 28 Jahre, Rechtsreferendarin
Wofür trittst du ein?
Ich trete ein für eine offene und transparente Politik vor Ort und möchte der SPD in Ellwangen ein Gesicht geben. Die Kommunalpolitik ist meine Leidenschaft. In Ellwangen liegt vieles brach, doch in den Menschen unserer Stadt schlummert viel Potenzial. Mein Ziel ist es, mehr Menschen an der Gestaltung der Zukunft Ellwangens zu beteiligen.
Ariane Bergerhoff, 40 Jahre, Lehrerin, 2 Kinder
Was braucht mehr Aufmerksamkeit?
All diejenigen, die nicht für sich selbst kämpfen können, v.a. Kinder und Tiere. Sie sind uns oft ausgeliefert und deshalb auf ein funktionierendes System angewiesen. Ein großartiges Land wie Deutschland muss sich ständig das Zitat von Gustav Heinemann vor Augen halten: „Man erkennt den Wert einer Gesellschaft daran, wie sie mit den Schwächsten ihrer Glieder verfährt."
Eleonora Grasmück, 30 Jahre, Lehrerin
Wer oder was inspiriert dich?
Für mich war der Willy-Brandt-Wahlkampf 1972 Impulsgeber zu einer Zeit, als es nur drei Parteien gab. Erhard Eppler und Hans-Jochen Vogel waren für mich überzeugende Politiker mit klaren Positionen für soziale Gerechtigkeit, Frieden und Versöhnung ohne Waffengewalt.
Waltraud Pfleiderer-Mazouri, 66 Jahre, Krankenschwester
Das Gelände der ehemaligen Kaserne bietet Chancen für alle
Fritz Taschinski
So beschaulich unser Ellwangen oft auf uns wirken mag, so wenig macht das große Weltgeschehen doch vor unserer Stadt Halt.
Deutlich wird dies aktuell bei der geplanten Bebauung des ehemaligen Kasernengeländes. Hier, wo bis 2014 die Bundeswehr zuhause war, soll nach den Plänen der Stadtverwaltung Wohnraum für 1500 Menschen entstehen, aufgeteilt in 180 Bauplätze für Einfamilienhäuser und in 54 Bauplätze für Mehrfamilienhäuser. Vorgestellt wurde das ganze in einer „Bürger-Planungswerkstatt“ im Februar und März 2022.
Anders als die Stadtverwaltung und anders als die Mehrheit des Gemeinderats hat sich die SPD von Anfang an für einen städtebaulichen Wettbewerb zur Gestaltung dieses neuen Stadtteils ausgesprochen. Zu wichtig erscheint uns das wertvolle Gelände, zu einmalig die Chance, als dass hier „auf die Schnelle“ ein Baugebiet „von der Stange“ entstehen darf.
Arbeit neu denken
Beate Rothmaier
Wir arbeiten. Alle, jeden Tag. „Leistung muss sich wieder lohnen“, war seit 1982 die Devise und meinte mit den Leistungsträgern zuerst die Vermögenden und Gutverdienenden. In einem langen 'Reformprozess' änderte man die Arbeitswelt der Siebziger Jahre grundsätzlich: Steuern wurden gesenkt, Personalkosten durch Outsourcing gedrückt, soziale Sicherungssysteme zurückgeschnitten und der Druck auf Arbeitslose durch die Hartz-Reformen erhöht.
In der Folge schritt die Prekarisierung voran, und viele Menschen erlebten, dass ihre Leistung nicht mehr am nötigen Zeitaufwand sondern am Marktergebnis festgemacht wurde. Das hatte fatale Folgen für alle, die mit Alten, Kranken, Behinderten oder Kindern arbeiten. Denn, man kann immer schneller Autos produzieren, aber nicht schneller pflegen, Kinder betreuen oder gebären.
Jeder schätzt die Produktionsarbeit, mit der vom Gemüse bis zum Kinderspielzeug hergestellt wird, was die Gesellschaft braucht oder exportieren will.
Ebenso wichtig ist jedoch die Care- oder Reproduktionsarbeit, die Menschen erst dazu befähigt, produktiv zu sein: kochen, Kinder erziehen, Haare schneiden, Wäsche waschen, Räume putzen, Dinge liefern, Kranke operieren, alte Menschen pflegen.
In der LEA zeigen sich Ellwangens Stärken
Herbert Hieber
Zum Jahresende 2022 liegen hinter Ellwangen und der Landeserstaufnahmeeinrichtung für Geflüchtete (LEA) fast acht Jahre einer immensen Herausforderung und humanitären Erfolgsgeschichte. Dass ihr bis vor kurzem noch strittiger Weiterbetrieb angesichts der größten Fluchtbewegung in Europa seit dem 2. Weltkrieg sichergestellt werden muss, ist allen, die humanistisch denken, inzwischen klar.
Schwierige Aufgaben waren von MitarbeiterInnen der LEA und der ganzen Stadtgesellschaft zu bewältigen.
Und sie wurden bewältigt: die dramatische Steigerung der Zuweisungen, ein früher Wintereinbruch 2015, bis zu 4600 Bewohnerinnen und Bewohner, Sorge um fehlendes Personal, knappe Ressourcen, anonyme Anfeindungen in den sozialen Medien, unsachliche, beleidigende, rassistische und rechtspopulistische ‘Stellungnahmen’.
Dennoch wurde die LEA zur humanitären Erfolgsgeschichte. Die Mehrheit der Stadtgesellschaft zeigte Verständnis und Toleranz. Über dreihundert Menschen waren zu ehrenamtlicher Unterstützung bereit, betreuten Kinder, halfen beim Empfang und in der Kleiderkammer, unterrichteten Deutsch, organisierten Sportangebote, das LEA-Café, Ausflüge und spendeten bereitwillig Dinge und Geld. Institutionen, Firmen und Schulen initiierten Hilfs- aktionen und Begegnungen mit Geflohenen.
Die hauptamtlichen
MitarbeiterInnen, allen voran Berthold Weiß als Leiter, ent- wickelten die LEA als lernendes System ständig weiter, profes- sionalisierten es, empfingen wissen- schaftliche Delegationen und setzten sich kommunikativ und politisch auf Landes- wie Kommunalebene für die LEA ein. Weiß ermöglichte durch seine Arbeit, seine Haltung und sein Leadership, dass die LEA für viele heimatlose, kriegsverletzte und durch die Flucht traumatisierte Menschen zur Zufluchtsstätte und Startbasis für ein besseres Leben in Deutschland wurde. Die Presse be- richtete positiv und engagiert, wie zum Beispiel Gerhard Königer in der Schwäbischen Post vom 8.2.19:
„Die LEA stärkt das gesellschaftliche Miteinander. Die Flüchtlinge bringen kulturelle Vielfalt, Informationen, Austausch. Sie wecken Mitgefühl, Hilfsbereitschaft, auf der Straße, in Schulen, Kindergärten. Das ist ein Lebensgefühl, von dem alle profi- tieren. Wir Ellwanger sollten froh sein, dass wir diesen Menschen Zuflucht gewähren dürfen, weil sie in Not sind, und weil wir es können.“ Unsere Stadt wurde bunter, tole- ranter und hilfsbereiter. Die Gesell- schaft rückte zusammen. Ellwangen ist nicht zuletzt aufgrund seiner christlichen Geschichte geprägt durch den Gedanken der Caritas, der Barmherzigkeit. Die brauchen wir gerade jetzt, in Zeiten des Ukraine- kriegs, dringender denn je und dafür steht die LEA. Das Lebensgefühl der Offenheit und der kulturellen Vielfalt belebt die Stadtgesellschaft.
Kolumne
André Zwick
Ambitionslosigkeit kann man der Ellwanger Kommunalpolitik nicht vorwerfen.
Im Gegenteil: Ambitioniert sind alle Projekte. Aber übernimmt sich die Stadt oder ergreift sie viel mehr Chancen, die sonst nie wieder kommen?
Für uns als Gemeinderäte der SPD gilt: Der für 2026 geplante Schuldenstand ist ein Höchststand.
Dennoch sind diese Projekte richtig und notwendig. Gartenschau, Industriegebiet, Baugebiet Konversionsgelände und EATA.
Markante Ellwanger Gebäude stehen leer
Fritz Taschinski
Die Gefängnismauer ist mit Graffitis besprüht, die Farbe am blau-grünen Metalltor blättert großflächig ab. Häftlinge sind hier keine mehr untergebracht, seit dem 1. April 2016 steht das 1881 errichtete Ellwanger Gefängnis leer. Nachdem Stadt und Justizverwaltung abgewinkt hatten, wurde es schließlich an einen Investor verkauft.
Versteckt hinter hohen Mauern wartet das graue Gebäude mit den 770 m2 Nutzfläche darauf, einer neuen Bestimmung zugeführt zu werden. Im Gespräch war der Umbau zu einem eher außergewöhnlichen Hotel – keine schlechte Idee, auch im Hinblick auf das Jahr 2026 und die Landesgartenschau.
Szenen- und Ortswechsel: In der Oberen Straße, etwas eingezwängt zwischen dem Palais Adelmann und der Weinstube Kanne, befindet sich das Haus Fischer. Uhren wurden hier früher verkauft und repariert, 2009 erwarb die Stadt Ellwangen die Immobilie. Hier soll ein barrierefreier Zugang zum Palais Adelmann ge- schaffen werden. Wir wünschen uns die baldige Umsetzung, nicht zuletzt, um dem Palais Adelmann mehr und neues Leben einzuhauchen.
Mehr Leben wünscht man sich auch ein paar Meter weiter in der Spitalstraße, wo in dem früheren Bekleidungshaus Schmid, danach K&L, zwar die Türen verschlossen, aber die Schaufenster mit zeitgenössischer Kunst gefüllt sind.
Wie Hass im Netz uns verändert und wer davon profitiert
Nils Einfeld
Das Internet ist ein Mittel des Realitätsverlusts. Es schließt nicht abends um acht und ist überall zugänglich. Es bietet dem Menschen die Möglichkeit, sich für nahezu unbegrenzte Zeit weder mit sich selbst, noch mit seiner Umgebung beschäftigen zu müssen.
Jedoch vereinfacht es nicht nur die Ablenkung durch unbegrenzten Zugang zu medialem Content, es vereinfacht auch die zwischenmenschliche Interaktion, indem man sich nach einem Posting nicht mit einer verbalen und erst recht nicht mit einer non-verbalen Antwort auseinandersetzenmuss. Denn diese kommt höchstens im harmlosen Gewand einer Pop up-Nachricht, wie wir sie täglich zu hunderten erhalten.
Zu Besuch bei einem müllfressenden Monster
Ariane Bergerhoff
Neunundzwanzig Kilo sogenannter Leichtverpackungen fielen 2020 pro Kopf im Ostalbkreis an. Das sind für Ellwangen 710 Tonnen.
Ich will herausfinden, wo der Verpackungsmüll landet. Die GOA konnte mir nicht sagen, wo die Gelben Säcke hinkommen. Denn die GOA sammle die Säcke nur ein, so die Antwort am Telefon. Jemand anders hole diese in der Deponie ab. Seit 2004 gehört die GOA zu 51% dem privaten Entsorgungsunternehmen Hörger aus Sontheim.
Ich rufe dort an und bekomme sofort einen Termin. Gerne zeige man mir, was man mit Verpackungsmüll mache. Etwas mehr als 10% des Verpackungsmülls aus dem Ostalbkreis landen dort.
In Sontheim werde ich freundlich empfangen. Klar wird, dass Recycling für die CO2-Bilanz Sinn macht, nur nicht immer wirtschaftlich ist. Das große Problem beim Recycling sei die Art, wie Verpackungen konzipiert seien. Aber das, so Herr Sikiera, wolle er mir live und in Farbe zeigen.
Wir laufen zu den Hallen, in denen die Gelben Säcke landen. Müllberge empfangen mich. Lautstark arbeitet eine gigantische Maschine, die auf der einen Seite mit Gelben Säcken gefüttert wird, zwischendrin Tetra Paks, Plastikfolien, PET und verwertbare Rohstoffe auswirft. Am Ende spuckt sie aus, was weder sortierbar noch wiederverwertbar ist. Ich erklimme die Stufen. In den Gitterlöchern stecken alte Kaffeekapseln. Sinnbild für den verschwenderischen Umgang mit wertvollem Aluminium.
Die rückläufige Entwicklung der Bahn und ihre Folgen
Nils Einfeld
Die Bahn ist ist das Transportmittel der Zukunft, oder zumindest sollte sie es sein. Denn sie ist effizient, platzsparend und umweltfreundlich. Doch die Länge des Gesamtschienennetzes geht in Deutschland bereits seit den vierziger Jahren kontinuierlich zurück. Laut dem ifo Institut ist mit einem Rückbau von 15 000 Streckenkilometern in den vergangenen 70 Jahren mehr als jeder vierte Streckenkilometer des deutschen Eisenbahnnetzes stillgelegt worden. Allein in Baden-Württemberg wurden der EBA zufolge seit 1994 achtundzwanzig bundeseigene Strecken stillgelegt.Dass die Bahn besonders im Geburtsland des Automobils traditionell Popularitätsschwierigkeiten hat, scheint einleuchtend. Doch auch darüber hinaus gibt es einige Faktoren, die sie bei uns eher unbeliebt machen. Neben gelegentlichen Pöbeleien alkoholisierter Fußballfans und der ständigen Angst, den Anschlusszug zu verpassen, ist es der Preis, der sparsamen Schwaben das Bahnfahren schwer macht.